Spärlich sind die Nachrichten, die uns Aufschlüsse geben über die Geschichte unserer Heimat zur Zeit unserer germanischen Vorfahren. Und doch haben sich gerade hier damals geschichtliche Ereignisse von großer Tragweite abgespielt. War doch die Umgebung Marienbergs im Zeitraum von etwa 70 Jahren (von 55 vor Chr. bis 16. n. Chr.) mehrmals Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen Römern und Germanen. Über das Ausmaß und den Ausgang dieser Schlachten ist uns leider nichts bekannt. Damals war der Westerwald von den Sugambrern (oder Sigambrern) bewohnt, die später wohl von den Chatten abgelöst wurden.

Aus dem Haigergau mag sich dann die "Herrschaft zum Westerwald" ausgegliedert haben. Sie umfasste die Kirchspiele Neukirch, Emmerichenhain und Marienberg. Im Süden hatte die Herrschaft die große Nister als Grenze, während sie im Norden eine dichte Dornenhecke begrenzte. Dadurch sollten das Abweiden durch fremde Herden und Holzdiebstahl in den zur Herrschaft gehörenden Wäldern verhindert werden. Die Bauern der Herrschaft zum Westerwald konnten sich rühmen, niemals Leibeigene gewesen zu sein. Keine Ritterburg oder sonst ein Herrensitz erhob sich je über das Land. Die Leute waren frei auf ihrem eigenen Grund und Boden und konnten damit nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Im Märkerding - die Herrschaft wurde auch Mark genannt - wurde von der Versammlung der freien Bauern über Fragen von allgemeinem Interesse entschieden.

Standesunterschiede kannte man unter den Bewohnern nicht. Es gab Eigenleute und Vogtleute. Die Vogtleute hatten zwar ein eigenes Haus, aber keinen Landbesitz, während die Eigenleute außer ihrem eigenen Haus auch eigene Bauernhöfe besaßen. In ihren Rechten waren sich beide gleichgestellt. Der Zentgraf war der Gerichtsherr der Herrschaft. Er wurde von einem Amtmann vertreten, der meistens aus der Herrschaft stammte. Ihm waren Schöffen aus den drei Kirchspielen beigegeben. Darüber mag noch an anderer Stelle berichtet werden.

Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, als ob die Leute der Herrschaft nun in allen Dingen frei und unbelastet gewesen seien. Sie mussten ihren Lehnsherren immerhin gewisse Rechte zuerkennen. Dazu gehörte das Verfügungsrecht über Wald, Weide und Wasser. Ferner vertraten sie die Herrschaft als Landesherren. Ihnen oblag die Gerichtsbarkeit. Dafür waren sie aber auch zur Verteidigung des Landes verpflichtet. Als Gegenleistung erhielten sie von den Bewohnern der Herrschaft verschiedene Abgaben und Steuern und konnten dieselben auch in beschränktem Umfange zum Kriegsdienst heranziehen.

Mit den freien Westerwäldern kamen die Grafen von Nassau gut aus. Zu ernsthaften und nachhaltigen Meinungsverschiedenheiten ist es nie gekommen. Das mag wohl auch mit der Hauptgrund dafür gewesen sein, dass Graf Johann VI. der Ältere von Nassau-Dillenburg, ein Bruder Wilhelms von Oranien im Jahre 1567 die Leibeigenschaft in seinem Herrschaftsgebiet weitgehend einschränkte.

Die Herrschaft zum Westerwald hat mehrmals ihre Herren gewechselt. Man nimmt an, dass sie um 1162 durch Heirat Ruprecht II. von Laurenburg zufiel. Im Jahre 1231 wurden die Grafen von Nassau mit der Herrschaft belehnt, und 1255 erhielt Graf Otto I. von Nassau, der Begründer der nassau-ottoischen Linie, in der Bruderteilung u.a. die Gerichte Herborn, Marienberg, Emmerichenhain und Neukirch. In einer weiteren Teilung im Jahre 1303 zwischen den drei Söhnen Ottos I. wurden Heinrich Haiger und die Herrschaft zum Westerwald zugesprochen und gehörten damit zu Nassau-Dillenburg. Als sich die Zweiglinie Nassau-Dillenburg-Beilstein bildete, ging die Herrschaft zum Westerwald in deren Besitz über (1343 bis 1561).
Graf Johann VI. der Ältere beerbte die 1561 erloschene nassau-beilsteinische Linie. 1620 kamen Beilstein und die Herrschaft zum Westerwald an Nassau-Diez. Als Fürst Wilhelm IV. von Nassau-Oranien in seinem Edikt von 1742 die Vereinigung der nassau-oranischen Fürstentümer mit dem Verwaltungssitz Dillenburg anordnete, gehörte auch dazu das Amt Marienberg und Neukirch. Im Kriege zwischen Österreich und Preußen 1866 stellte sich der Herzog von Nassau an die Seite Österreichs.
Das hatte zur Folge, dass nach dem Siege Preußens die nassauischen Länder dem Königreich Preußen einverleibt wurden. Schließlich wurde nach dem letzten Kriege, der die Auflösung Preußens brachte, der Regierungsbezirk Montabaur von dem Regierungsbezirk Wiesbaden abgesplittert und dem neu gebildeten Lande Rheinland-Pfalz zugeschlagen.

 

Keine Kommentare