Monte Vista, den 28. August 1892
Teure Schulkameraden!
Ihr werdet schon lange auf einen Brief von mir gewartet haben, und nun will ich einmal mein Versprechen in Erfüllung bringen. Wie Ihr wißt, bin ich jetzt bei meinen Verwandten von Hachenburg. Wir fahren morgen das letzte Heu ein und haben schon vier Wochen Heu gemacht. Ich habe immer auf dem Rechen gesessen, wo ein Pferd vorgespannt wird und habe gerecht. Jetzt sind wir an der Frucht am Schneiden. Lois schneidet jeden Tag 10 Acker mit der Maschine, welche schneidet und selbst bündelt. Die fertigen Garben fallen neben heraus.
Hier führt man ein Leben wie Gott in Frankreich. Es ist hier eine schöne Gegend, und ich wünschte, Ihr wäret alle schon hier. Die Mädchen verdienen hier 15-20 und 28 Dollar den Monat und Jungen auch. Die Wälder sind hier nicht so schön wie in Deutschland und die Häuser sind hier ganz einfach gebaut. In Deutschland macht sich niemand den Begriff davon wie es hier ist, das Getreide und alles wächst hier sehr schnell.
Hier ist auch Tanzmusik und alles, aber was soll man dort tun, man hat auf der Farm Vergnügen genug. Man packt sich die Flinte auf den Buckel und geht auf die Jagd oder fängt Fisch. Ich, Lois und Onkel sind allein auf der Farm.
Ich weiß Euch jetzt nichts Besonderes zu schreiben. Hoffentlich weiß ich beim nächsten Brief mehr.
Ich will nun schließen in der Hoffnung, daß Ihr mich nicht so lange auf einen Brief warten laßt, wie ich Euch.
Herzlichen Gruß an Euch alle von Euerem Schulkamerad August Müller
Bitte den Brief nach dem Lesen weiterzugeben.
Mr. August Müller
per Adresse Theodor Metzger
in Monte Vista
Colorado/Nordamerika
oder
Mr. August Müller
per Adresse Louis Weyand
in Monte Vista
Colorado/Nordamerika
Quelle: "Wir hatten ein schlechtes Schiff..." Briefe eines Westerwälder Amerika-Auswanderers 1892-1914