Monte Vista, den 13. März 1893
Lieber Vater und Geschwister!
Euern Brief erhalten und daraus ersehen, daß Ihr noch alle gesund seid, was mich sehr freut und was auch bei mir der Fall ist. Von Carl ungefähr vor 2 Wochen einen Brief erhalten. Es hat mich sehr gefreut, daß Ihr noch an meinen Geburtstag denkt und habt mir da eine Karte beigelegt, doch wenn man einmal so alt ist, macht man sich aus so Sachen nichts mehr. Die herzlichsten Gegengrüße für meine Schulkameraden, ich dächte, es wäre bald Zeit für sie mir auch einmal einen Brief zu schreiben.
Ich möchte auch einmal fragen, was mein altes Gewehr macht, ob alsmal daraus geschossen wird. Ich war am Sonntag mit einem Jungen hier auf der Jagd auf wilde Enten. Er war ein paar Tage hier auf Besuch und wohnt 20 Meilen von hier. Ich und er, wir haben jeder wenigstens 10-11 mal geschossen, und ich hatte bloß 2 und er 2 Enten und auf die fünfte schossen wir beide zugleich, da konnten wir nicht ausmachen, wer sie geschossen hatte. Der Wind ging zu stark und wir konnten deshalb nicht gut treffen. Bei den Enten muß man sehr vorsichtig sein und manch mal
eine lange Strecke auf allen Vieren kriechen, weil sie bei jedem Geräusch auffliegen.
Von Robert noch keine Photographie erhalten und bitte deshalb mal andere zu senden. Im Falle diese verloren gegangen ist.
Ihr werdet die 31 Dollar erhatten haben und nun die eine Hältte bezahlen. Ich muß nun wieder für die andere Hälfte sorgen, doch müßt ihr noch eine Zeitlang gedulden. weil ich hier auch nicht gerne im voraus Geld haben will. Ich habe nicht gerne Schulden bei Euch [vermutlich wegen der Überfahrt] und auch nicht hier.
Von Schneider diese Woche einen Brief erhalten, worin er Euch grüßen läßt.
Weiter weiß er auch nichts mitzuteilen.
Beste Grüße an Onkel Carl, Friedrich und Ferdinand sowie Großmutter und Gote.
Die herzlichsten Grüße an Euch alle
Euer August
Monte Vista, den 13. März 1893 (auf gleichem Briefbogen wie obiger Brief)
Teure Schwester!
Berthas Brief erhalten und will ihr nun Antwort schreiben. Emilie wird nun hoffentlich wieder wohl auf sein, welches bei mir immer der Fall ist Du schreibst, ich solle mich auf den Weg machen, wenn ich zur Konfirmation dort sein will, doch denke ich, das geht auch ohne mich, sonst bekomme ich vielleicht die Kleider nach dort gestellt mit rotem Kragen [Militär] welche ich nicht brauche, weil ich mir hier genug Kleider kaufen kann.
Für unseren Pflaumenbaum war es bald Zeit, daß er umgesägt wurde, er trug doch keine Pflaumen mehr. Bitte Carl nicht auf die Ausstellung zu gehen, sondern geraden Weges hierher zu kommen, daß es auf der Ausstellung zwiel Geld kostet. Ich bin schon bald ein alter Knabe. Es lohnt sich nicht wegen Deinem Geburtstag ein Geschenk zu schicken. Aber kann Dir ja später, wenn ich noch einmal schicke, etwas geben.
Ich will nun schließen mit dem besten Gruß an Euch alle.
Dein treuer Bruder August
Quelle: "Wir hatten ein schlechtes Schiff..." Briefe eines Westerwälder Amerika-Auswanderers 1892-1914