Mitte des 19. Jahrhunderts galt der Westerwald als „Land der armen Leute“. Einzige Einnahmequelle der Menschen war meist nur die Landwirtschaft auf dem kargen Mittelgebirgsboden. Wirtschaftliche Not prägte die Verhältnisse. Die Auswanderungsquote war daher in dieser Region besonders hoch. Die offizielle Auswanderungsstatistik des Herzogtums Nassau, wozu der größte Teil des Westerwaldes zwischen 1815 und 1866 gehörte, verzeichnet allein für die Jahre 1849–1868 insgesamt 3.366 Auswanderer aus den Ämtern Dillenburg, Hachenburg, Hadamar, Herborn, Marienberg, Montabaur, Rennerod und Wallmerod, die in die Vereinigten Staaten gingen. Es waren hauptsächlich Kleinbauern und von Lohn lebende Bevölkerungsgruppen, einschließlich schlecht verdienender Handwerker, die ihrer alten Heimat den Rücken kehrten und sich in der Neuen Welt ein besseres Leben erhofften.1)

Heinrich Georg, geboren 1821 in Langenaubach bei Dillenburg, war einer dieser Auswanderer. Auch er verließ 1852 seine Heimat aus wirtschaftlichen Gründen. Seine Erlebnisse während der  Reise nach Amerika schilderte er in einem umfangreichen Tagebuch, das 1853 in Dillenburg veröffentlicht wurde.2) Heinrich Georgs Aufzeichnungen vermitteln einen guten Eindruck von den vielfältigen Erfahrungen, die Amerika-Auswanderer um die Mitte des 19. Jahrhunderts machten bzw. machen mussten und können daher nahezu als typisch für diese Zeit gelten. Dass sie veröffentlicht wurden, war in dieser Zeit auch keine Seltenheit. Großer Bedarf herrschte an zuverlässigen Informationen über die Neue Welt im „Jahrhundert der Massenauswanderung“, was eine Flut an einschlägigen Publikationen nach sich zog. Neben Romanen und Erzählungen wurde eine Vielzahl von Führern und Ratgebern veröffentlicht. Um 1850 bemühte sich der von der Regierung unterstützte „Auswanderungsverein für das Herzogtum Nassau“ durch Ankauf und Verteilung entsprechender Literatur an Auswanderungswillige das Informationsbedürfnis zu stillen. Die Veröffentlichung der Erlebnisse Heinrich Georgs versprach somit im Westerwald zahlreiche Abnehmer zu finden, da Werke, die von Personen aus der eigenen Heimat verfasst waren, bei den Lesern in der Regel eine höhere Glaubwürdigkeit genossen. Im Vorwort des Herausgebers wurde ausdrücklich auf den Zweck der Publikation hingewiesen:

„Möchte somit die Schrift in reichem Maße ihren Zweck erfüllen und dem Auswanderer als Führer dienen; wie er sich vor Schaden zu hüten und sein Unternehmen zu einem möglichst ersprießlichen zu machen habe.“

Sich vor Schaden zu hüten war für Auswanderer des 19. Jahrhunderts auch dringend erforderlich. Mit der massenhaften Auswanderung ließ sich in vielerlei Hinsicht Profit erzielen: Reeder, Gastwirte, Händler, Auswanderungsagenten und andere Geschäftemacher unterschiedlichster Sparten versuchten an den meist unerfahrenen Auswanderern Geld zu verdienen. Anlass zur Klage boten vielfach unseriöse Auswanderungsagenten. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren die deutschen Territorien mit einem Netz von Agenturen und Unteragenturen überzogen. Um gegen betrügerische Agenten vorzugehen wurden zwischen 1846 und 1853 in mehreren deutschen Staaten, so auch im Herzogtum Nassau, Verordnungen erlassen, die eine Konzessionspflicht für Auswanderungsagenten vorsahen. Annoncen in den einschlägigen Zeitungen belegen, dass auch im Westerwald eine Vielzahl solcher (Unter-)Agenturen existierte, die für ihr Geschäft warben. Es waren meist Pastoren, Lehrer, Handwerker oder Beamte, vor allem aber Gastwirte und Krämer, die sich im Nebenerwerb als Auswanderungsagenten betätigten. Mit zunehmender Verbreitung der Dampfschifffahrt seit den 1860er Jahren übernahmen die großen Reedereien immer häufiger selbst die Organisation der Reise. Die vormaligen Unteragenten der Schiffsmakler bzw. Schiffsexpedienten in den Ortschaften des Westerwaldes wurden dadurch oftmals zu Reedereiagenten. Bis weit über die Jahrhundertmitte hinaus war der schlechte Ruf der Auswanderagenten weit verbreitet. Auch Heinrich Georg wurde etwas misstrauisch, als sein Agent die Pässe und das restliche Passagegeld mit dem „Schiffskontract“ in Empfang nahm und die Reisenden „dafür nichts, als ein kleines Blättchen Papier erhielten, auf dem mit ein paar Zahlen die betreffende Summe vorgemerkt war, ohne irgend ein anderes Wort oder eine Unterschrift“. Georg hatte jedoch Glück: Er war in Herborn an einen seriösen Vermittler geraten. Mit dem Abschluss eines Vertrages bei einem seriösen Agenten waren jedoch keineswegs alle Probleme gelöst. Neben vielfältigen individuellen Vorbereitungen, die ein so folgenschwerer Schritt erforderte, war die Auswanderung im 19. Jahrhundert mit einer Reihe behördlicher Formalitäten verbunden. Zwar betrieb das Herzogtum Nassau insgesamt eine relativ liberale Auswanderungspolitik, bestimmte Voraussetzungen mussten jedoch erfüllt sein, um die „Entlassung aus dem Untertanenverband“ beantragen zu können. Hierzu gehörten: männliche Antragsteller mussten ihren Militärdienst absolviert haben, Familienväter brauchten die Zustimmung ihrer Frauen und alle Schulden mussten bezahlt sein.3) Oftmals mit finanziellen Verlusten verbunden war die Veräußerung desjenigen Besitzes, der nicht mitgenommen werden konnte. 

Heinrich Georg, der nach eigenen Angaben selbst nicht viel besaß und daher weder großen Laufereien bei Gericht ausgesetzt, noch zu „Bücklingen“ bei den Behörden genötigt war, bemerkte hierzu:

„…ein Auswanderer muß von allen Seiten gehemmt werden, muß bei Helfern und Helfershelfern bezahlen, muß bei der Versteigerung seiner Habe viel verlieren, und muß, weil er Geld braucht, eine Beute der Kapitalisten werden und denselben bei vierfacher Sicherheit 7 ½ bis 15 Prozent zurücklassen u.s.w.“

Nach Amerika auszuwandern bedeutete Mitte des 19. Jahrhunderts in der Regel einen Abschied für immer. Heinrich Georg, der seine Heimat zusammen mit seinem achtjährigen Sohn verließ, verabschiedete sich am 23. April 1852 von seinen Freunden in seinem Geburtsort in Langenaubach. Die Abschiedsszenen waren oft schmerzlich, da man nicht nur die gewohnte Heimat und gute Freunde nie mehr wiedersah, sondern oft auch Familien auseinandergerissen wurden. Heinrich Georg schilderte diesen Moment seinen Lesern nicht ohne Pathos:

„Der Wagen steht schon vor der Thür, In Gottes Namen zogen wir in Begleitung vieler Freunde aus der Stadt, nahmen rührend Abschied von so manchen zurückbleibenden, geliebten Freunden und entsandten noch einen letzten Scheidegruß auf die Waldgekrönten Berge und lieblichen Thäler der reizenden Gegend hinüber.“

Die Verkehrsverhältnisse des Westerwaldes waren zu diesem Zeitpunkt noch mangelhaft. Der Bahnbau in der Region setzte erst später ein, so dass die Menschen noch auf Fuhrwerke angewiesen waren. Am ersten Tag gelangte die Reisegruppe, der sich Georg angeschlossen hatte, bis Hof im Oberwesterwald, wo sie zusammen mit anderen Auswanderern in einem großen Wirtshaus übernachteten.

„Das Abendessen etc. war mangelhaft, die meisten lagen auf Streu … Etliche junge Mädchen oder die Mägde hatten die Nacht mehrere Kleider der Passagiere heimlich – wohl nach Moneten visitirt – schändlich! – die Zeche gepfeffert.“

Die Gefahr bestohlen oder übervorteilt zu werden, bestand während der gesamten Reise. Die einschlägigen Auswandererführer widmeten daher den Ratschlägen zum Schutz des Eigentums umfängliche Passagen. Der Weg führte Heinrich Georg weiter über Hachenburg (24. April), wo sich sein Bruder verabschiedete, der ihn noch bis dahin begleitet hatte, und Siegburg (25. April) nach Köln. Köln war zu dieser Zeit ein Verkehrsknotenpunkt für Auswanderer. Hier wurden die Verkehrsmittel gewechselt, d.h. man war zu einem Zwischenaufenthalt gezwungen.4) Für die meisten Auswanderer aus dem Westerwald, die in ihrem eng begrenzten regionalen Erfahrungshorizont aufgewachsen waren, bedeutete ein solcher Aufenthalt oft den ersten Kontakt mit einer Großstadt und den damit verbundenen Widrigkeiten. Übervorteilungen durch Gastwirte, Geldwechsler und Händler verschiedener Sparten waren an der Tagesordnung. Der Aufenthalt in Köln dauerte drei Tage. Als ehemaliger Fremdenlegionär war Georg nicht so unerfahren wie die meisten seiner Mitreisenden. Er schaute sich den Dom und die anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt an und die Reisegruppe versorgte sich mit notwendigen Dingen wie Decken, Flinten, amerikanischem Geld u.s.w.. Späteren Auswanderern gab er noch den Rat: „Laßt Euch hier nicht so viel Eau de Cologne aufschwatzen; wir nahmen gar keins und kamen doch durch.“

Am 28. April ging die Reise von Köln aus weiter über Aachen und Verviers zum Einschiffungshafen Antwerpen, das neben Hamburg, Bremen, Rotterdam, Liverpool und Le Havre zu den bedeutenden westeuropäischen Auswandererhäfen gehörte. Zwischen Köln und Antwerpen verkehrte bereits eine Eisenbahn, so dass die Fahrt, einschließlich der Zollformalitäten an der belgischen Grenze, nur etwa elf Stunden dauerte. Da Auswanderer in der Regel nur die billigsten Fahrkarten besaßen, war es notwenig, Essen und Trinken und vor allem warme Decken mitzunehmen, da die Eisenbahnwaggons nicht beheizt waren. Eisenbahnreisen waren somit, zumindest für wenig bemittelte Reisende, trotz des schnellen Fortkommens nicht unbedingt ein Vergnügen. Gerade Auswanderer wurden nicht selten wie eine Ware behandelt. Heinrich Georg bemerkte hierzu: „11 ½ Uhr an der Eisenbahn, anfangend eine Waare zu sein (an der jeder etwas verdienen will)“. Leider hatte er versäumt, sich in Köln mit Brot einzudecken. Dank seiner in der Fremdenlegion erworbenen Französischkenntnisse, konnte er sich jedoch mit dem belgischen Eisenbahnbeamten verständigen, der ihm unterwegs das notwendige verschaffte. In Antwerpen kam die Reisegruppe abends um 10.30 Uhr an. Abendessen und Nachtquartier waren akzeptabel. Am nächsten Morgen wurden die notwendigen Formalitäten schnell erledigt. Georg erwähnte ausdrücklich, dass sie im Büro der Auswanderungsagentur „ausgezeichnet artig behandelt wurden“. Zwar berichtete er nicht von aufdringlichen Straßenhändlern, die den Auswanderern allerlei nützliche bzw. Unnütze Dinge aufzuschwatzen versuchten, das Geschäft mit den Auswanderern florierte jedoch trotzdem. Die Wirtin des Gasthofes bot sich nur allzu bereitwillig an, beim Kauf der notwendigen Dinge behilflich zu sein und führte sie in ein entsprechendes Geschäft mit einer großen Auswahl an Waffen, Werkzeug, Kochgeschirr u.s.w.. Heinrich Georg kaufte dort einiges, da er den Preis für angemessen hielt.

„…trotzdem machte unsere Wirhtin zweifelsohne etliche %chen dabei auf unsere Rechnung. Dennoch finde ich es besser, dasselbe hier zu kaufen, als solches zu Hause ungeschickt machen zu lassen. Procenterchen will einmal jeder am Auswanderer verdienen.“

In einem anderen Laden wurde noch Kaffee, Tee, Zucker, etc. gekauft, Georg empfahl weiterhin, sich mit Gewürzen und, wenn es das Budget erlaubte, einigen Krügen Mineralwasser einzudecken. Besondere Aufmerksamkeit war während der Seereise dem Kaffee zu schenken:

„Den Caffee könnt ihr stets auf dem Schiff mahlen und sollte er feucht sein, an der Küche trocknen; doch macht Euch dazu einen guten Behälter, da er gerne den schlechten Geschmack von dem Schiffsgeruch oder daran liegenden Sachen annimmt.“

Streitereien gab es bei der Abreise noch mit dem Wirt, der, statt der vereinbarten 1 ½ Francs pro Tag, bei der Abreise plötzlich 2 Francs forderte, die Georg jedoch nicht bezahlte.

Die Reise war insgesamt gut organisiert, so dass der Aufenthalt in Antwerpen nur wenige Tage gedauert hatte. Am 1. Mai begann die Seereise über den Atlantik. Das Schiff, die Besta, eine finnisch-russische Barke, war erst kürzlich mit einer Ladung Getreide aus Odessa in Antwerpen eingelaufen. Das Schiff war kurzfristig für den Auswanderertransport umfunktioniert worden, indem ein Zwischendeck zwischen Oberdeck und Laderaum eingezogen worden war. Hierbei handelte es sich um grob gezimmerte provisorische Quartiere, die für die Rückfahrt von Amerika nach Europa wieder entfernt wurden, um Platz für Fracht zu schaffen. Zur Zeit der Segelschiffe, d.h. bis in die 1860er/70er Jahre, war die Überfahrt strapaziös. Zwar gehörten Mitte des 19. Jahrhunderts die mitunter lebensgefährlichen Überfahrtbedingungen früherer Zeiten bereits der Vergangenheit an, eine Erholungsreise war die Überfahrt im Zwischendeck jedoch nicht. Die zweistöckigen Auswanderungskojen waren in der Regel viel zu kurz und zu schmal. Jedem Erwachsenen standen, gemäß den sich überall in Europa mehr und mehr durchsetzenden Auswandererschutzbestimmungen, mindestens 47 cm Breite zur Verfügung, für Kinder rechnete man die Hälfte. Das Zwischendeck der Besta entsprach wohl den gängigen Normen:

Ich stieg ins Zwischendeck und fand, wie jenes Judenmädchen, – „Nicht ´mal´ ei´ Sopha d´rin“ – aber auf beiden Seiten zwei über einander befindliche große Apfelgerüste von zusammen genagelten Brettern mit je 7”breit und alle 7” in der Länge, mit einem Brette unterschlagen – Betten (Cojen) für je 4 Passagiere.“

Zwar wurde zumeist der größte Teil des Auswanderergepäcks im Laderaum unter dem Zwischendeck verstaut, es stapelten sich jedoch trotzdem eine Vielzahl von Kisten und Kästen zwischen den Kojen, weil sie Dinge enthielten, die entweder während der Reise benötigt wurden oder von denen man sich nicht trennen wollte. Georg wertete diesen Umstand sogar positiv:

„Die Kisten stehen alle im Zwischendeck, eine Reihe vor den Betten und eine doppelte in der Mitte der Länge nach, so dass sich auf beiden Seiten ein Gang bildet, der in die oberen Cojen das Einsteigen erleichtert.“

Neben der Enge des Zwischendecks war die Hygiene ein zentrales Problem. Die Belüftung erfolgte in der Regel lediglich über die Ladeluken, die bei Regen geschlossen werden mussten; auch die Besta hatte keine Seitenfenster am Zwischendeck, wie einige amerikanische Auswandererschiffe. So klagte Georg während der Überfahrt mehrfach über die schwüle Luft, in der man ständig schwitzte. Bei starkem Regen drang Wasser in den Raum ein, so dass die Passagiere und deren Betten nass wurden. Die Auswanderer auf der Besta nutzten daher sonnige Tage, um die Betten an Deck zu lüften. Bei stürmischem Wetter konnte es passieren, dass die Kisten im Zwischendeck hin und her flogen, obwohl diese mit Holzklötzen festgenagelt waren. Der Kapitän, den Heinrich Georg sehr lobte, d.h. Unter Schikanen der Schiffsbesatzung hatten die Passagiere nicht zu leiden, ließ unter den Passagieren sogenannte Vormänner wählen, die für Ordnung und Sauberkeit verantwortlich waren. Trotzdem waren während der Reise kleinere Diebstähle vorgekommen. Mehr als 200 Menschen unterschiedlichster Herkunft auf engstem Raum zusammengepfercht: Unter solchen Umständen blieben Auseinandersetzungen unter den Passagieren nicht aus. Besondere Probleme bereitete auf der Besta eine Gruppe junger Schwaben:

„Eine Gesellschaft von ca. 10 jungen Schwaben mit ein paar Mädchen haben ihre Cojen uns vis avis; sie sind sehr roh, denn sie spielen heute, obschon es Sonntag ist, Karten, fluchen, singen und janhageln, Sitte, Anstand und Religion verletzend, zum Abscheu jedes besser Denkenden. Auch nicht übel für einen Vater, der Mädchen bei sich hat und bessere Sitten höher achtet, als die Lümmels.“

Um sich vor Ungeziefer zu schützen, wurden unterwegs die Betten mehrfach mit salzigem Kalkwasser bestrichen. Die wenigen Aborte und fehlende medizinische Versorgung führten dazu, dass sich Krankheiten auf den Schiffen ungehindert ausbreiten konnten. Unter den Passagieren der Besta fand sich kein Arzt oder Apotheker. Zwar waren die Reisenden vor Fahrtantritt durch einen Arzt untersucht worden, die schwierigen Verhältnisse an Bord führten jedoch dazu, dass während der Überfahrt eine Reihe von Leuten an Wasserpocken erkrankte. Weiterhin ereilte die obligatorische Seekrankheit zu Beginn der Reise nahezu alle Passagiere.

Eindrucksvoll schilderte Georg, der selbst nicht seekrank wurde, die Leiden seiner Mitreisenden:

„Um 7 Uhr abends herrschte ein Zustand, der sich mitmachen, aber nicht beschreiben lässt. – …Die übrigen 200 Passagiere, alle in dem selben Raum, fingen nun an, auf das rückhaltloseste sich allen Essens, das sie im Leibe hatten, zu entledigen, es gab Bilder, Auftritte, Plätschern, Jammern und Unreinigkeiten in so hohem Grade, dass ich mich vor Ekel auch ein einzigmal übergeben musste,…“

Zur Vorbeugung gegen die Seekrankheit empfahl er, neben häufigem Verweilen an Deck und viel Bewegung, vor allem den Magen nicht zu überladen. Die Lebensmittel an Bord waren: „contractmäßig, und gesetzlich, sowohl in Qualität und Quantität, Maass und Gewicht“. Die Auswanderschutzbestimmungen hatten der bis zum frühen 19. Jahrhundert üblichen Selbstverpflegung ein Ende bereitet; die Schiffseigner waren seither verpflichtet, ausreichend Lebensmittel mitzuführen und an die Passagiere zu verteilen, so dass auch bei längerer Überfahrt die Versorgung gewährleistet war. Eine Regierungskommission hatte dies vor Antritt der Fahrt auf der Besta überprüft, auch die Wasserfässer waren untersucht und danach sogar gestempelt worden. Schwierigkeiten bereiteten jedoch die zu wenigen Kochstellen an Bord:

Es ist gar mühsam, bei schlechtem Wetter und starken Schwankungen zu kochen, und bleibt es dann den geschicktesten Männern überlassen, denen es oft begegnet, dass wenn sie ihre Mahlzeit fertig zu haben glauben, ein Anderer in rohem Muthwillen ihre Kessel rückt oder abhenkt, wodurch ihr mühsam fertig gebrachtes Essen aufs Verdeck rollt und in den Schmutz fällt. So hat man sich fast täglich abzumühen.“

Trotz all dieser Widrigkeiten verlief die Überfahrt der Besta insgesamt ohne größere Probleme. Heinrich Georg versäumte es an dieser Stelle nicht, seinen Lesern noch einmal eindringlich die Vorteile einer Auswanderung über Antwerpen vor Augen zu führen. Dass hiermit auch eine werbende Absicht des Herausgebers verbunden war, ist sehr zu vermuten.

„…wir hatten aus gutem Grunde die Route über Antwerpen genommen und uns nicht getäuscht, denn an guten Lebensmitteln und trefflichem Trinkwasser fehlte es nicht, an Kohlen ebenfalls nicht; dabei eine Behandlung, so human und prächtig, dass es im Vergleich zu den Klagen über Bremen und besonders Liverpool, wo die Leute fast verhungert sind, wo sie oft nicht unbedeutende Summen für schändlich theure Lebensmittel noch ausgeben mussten, wo nicht, wie bei uns von 200 Passagieren nur ein krankes Kind starb, nein, wo von 100 – 5, und mehr auf der Reise den Folgen des Elends, des Thyphus ec. erlagen.“

Am 15. Juni, d.h. nach mehr als sechs Wochen, was eine damals durchaus übliche Fahrtzeit war, erreichte die Besta den Hafen von New York. Wichtigster Ratschlag für das Verhalten bei der Ankunft war: „Geht nicht vom Schiff!“. Der Grund hierfür waren die sogenannten „runners“, die mit allen möglichen Tricks versuchten, den Neuankömmlingen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Sie waren straff in Gruppen organisiert, die sich zum Teil heftig bekämpften. Erst als 1855 in Castle Garden die erste Einwanderersammelstelle errichtet wurde, gelang es der amerikanischen Regierung, das Runnerunwesen einzudämmen. Auch die Einwanderer auf der Besta wurden von den Runnern nicht verschont, als sie mit dem Dampfboot an Land gebracht wurden, nachdem die vorgeschriebene Quarantänezeit abgelaufen und die Zollformalitäten erledigt waren:

„Der ärgste deutsche Feuerlärm ist kein Vergleich gegen das Durcheinanderschreien der Heerde Runner, Agenten, Schläger, Diebe, Fuhrleute, Wirthe ec., die aus allen Ecken auf das Dampfschiff steigen, sich selbst auf das fürchterlichste zanken, die schlechtesten Schweinigkeiten vorwerfen, und das alles in deutscher Sprache, dass einem Hören und Sehen vergehen sollte.“

Heinrich Georg empfahl, in dieser Situation nicht den Kopf zu verlieren, nüchtern zu bleiben und sich fest, männlich und besonnen zu zeigen. Er blieb einige Tage in der beeindruckenden Stadt, bevor er seine Weiterreise antrat. Beim Kauf der Tickets war wiederum Vorsicht geboten. Um unnötige Vermittlergebühren zu sparen, besorgte man sich diese am besten direkt am Bahnhof oder auf den Dampfbooten, deren Bestimmungsorte groß an den Schiffen angeschrieben waren. Georg nahm nicht die Michigan-Eisenbahn, die einen eher schlechten Ruf hatte, sondern bevorzugte die Fahrt mit dem Dampfboot über den Erie-Huron- und Michigansee. Auf dieser Route war nicht nur ständig gutes Trinkwasser vorhanden, sondern man konnte auch an den Orten, an denen angehalten wurde um Kohle zu bunkern, preiswert frische Lebensmittel einkaufen.

Am 27. Juni erreichte er Milwaukee, mit dessen Beschreibung seine Reiseaufzeichnungen endeten. Er konstatierte für Stadt und Umland ein „ungemein schnelles Aufblühen“. Milwaukee war daher „dem deutschen Auswanderer mit Recht zu empfehlen“. Die naturräumlichen Voraussetzungen waren ähnlich wie in Deutschland, Industrie und Landwirtschaft boten Einwanderern ein gutes Auskommen. Besonders günstige Möglichkeiten prognostizierte Georg Schneidern und Schuhmachern. Voraussetzung war jedoch in jedem Fall ein gewisses Grundkapital.

„Jemand, der ein gutes Handwerk kann, und einiges Capital besitzt, findet hier weit eher, als in Europa, seine Rechnung. – Landleute dagegen, welche bis Milwaukée gekommen sind, und nur noch ein paarhundert Gulden übrig haben, müssen sich, wenn sie Congreß- Land, 40 Acres für 50 Dollar erwerben wollen, bereits 80 englische Meilen ins Innere wenden, und einen Wagen für 50-80 Dollar, zwei Ochsen für einen ähnlichen Preis, einen Pflug, Geschirr, Einsaat, Lebensmittel und ein Haus (Blockhaus) kaufen oder erwerben können, und sind zu beklagen, wenn dazu ihre Mittel nicht ausreichen.“

Als weitere Voraussetzungen nannte er Fleiß und Zielstrebigkeit:

„Solidität ist die Grundlage aller Achtung und Vorwärtskommen die Losung in dem großen Kampfe der gegenseitigen Interessen. Müßiggänger und Trunkenbolde (der Whyskey ist sehr billig hier) sind zu bedauern, Verachtung ist ihr Los.“

Einen wesentlichen Vorteil des Lebens in Amerika sah Georg in den dort herrschenden Freiheiten: „Ihr genießt hier alle Freiheiten, freies Vereinsrecht, Massenversammlungen, u.s.w. ohne Gendarmen und ohne Gefahr für Ruhe und Sicherheit.“ Auch die im Deutschland des 19. Jahrhunderts übliche devote Haltung gegenüber Höherstehenden war in den Vereinigten Staaten unüblich: „Das Hutabziehen, sowie Complimente und Bücklinge sind, selbst bei Gerichten, nicht gebräuchlich.“ Die Sitten der Amerikaner unterschieden sich überhaupt deutlich von denen in Deutschland:

Eine auffallende Sitte des Amerikaners ist, dass er, wo er geht und steht, Tabak kaut, dabei hat er stets den Hut auf dem Kopf und geht Sommers in Hemdsärmeln einher. … Die Hände in den Taschen, den Hut im Nacken, sieht man ihn häufig auf einem Stuhle in der Weise sitzen, dass die Beine auf einem gegenüberstehenden Stuhle oder sonstigen Gegenstande ruhen. Beständig sinnend und rechnend, scheint ihn dabei eine stoische Ruhe und Gelassenheit zu beseelen.“

Heinrich Georg vermied es insgesamt, in seinem Bericht ein zu positives Bild der Verhältnisse zu zeichnen. Vielmehr führte er aus, alles so geschildert zu haben, wie es ihm nach seinem „schlichten Verstande möglich war.“ Um den Quellenwert seiner Aufzeichnungen richtig zu beurteilen, ist zu berücksichtigen, dass die Reiseerlebnisse veröffentlicht wurden, d.h. vieles wurde redigiert; schließlich hatte die Schrift den Zweck, potenzielle künftige Auswanderer zu ermuntern. Trotzdem handelt es sich um erlebnisnahe Schilderungen, die über die deutsche Amerika-Auswanderung um die Mitte des 19. Jahrhunderts interessante Details vermitteln.

 

 

Anmerkungen:

1) Zur Auswanderung aus dem Westerwald vgl. Bartolosch / Neutsch / Roth 1996

2) Georg 1853 (die folgenden, nicht einzeln nachgewiesenen Zitate vgl. ebda.).

3) Vgl. hierzu: Ingrid Schöberl: Auswanderungspolitik in Deutschland und Einwanderungspolitik in den Vereinigten Staaten, in: Germantown 1982, S. 324ff.;

speziell zum Herzogtum Nassau vgl. Struck 1966.

4) Zu den Reisebedingungen von Auswanderern im 18. und 19. Jahrhundert vgl. Hartmut Bickelmann: Das Abenteuer der Reise, in: Germantown 1982, S. 330ff.;

ferner Cornelius Neutsch: Die Reise: Vom Abenteuer zur organisierten Massenbeförderung, in: Bartolosch / Neutsch / Roth (Hrsg.) 1999, S. 21.ff.

 

Quellen:

Aufbruch nach Amerika 1709 – 2009, 300 Jahre Massenauswanderung aus Rheinland-Pfalz, Ausstellung im Theodor-Zink-Museum Kaiserslautern 30. April bis 2. August 2009, S42-48 ff., von Cornelius Neutsch

 

 

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