Unter die Merkwürdigkeiten unsers Jahrhunderts gehört unstreitig die Entdeckung de unterirdischen Holzes (lignum fossile) welches sich dem hohen Westerwald sowohl in der Herrschaft Beilstein, besonders in den Kirchspielen Marienberg und Hön als auch in der angränzenden Grafschaft Westerburg befindet. Seine Spuren erstrecken sich soviel man jetzt schon weiß einige Stunden in die Länge und eben so weit in die Breite. In den Oranien Nassauischen Landen sind dermalen zwo Gruben geöffnet eine zwischen Illfurt und Strockhausen die andere nahe bei dem gedachten Dorfe Hön in einer wechselseitigen Entfernung ungefähr einer Stunde.

Zwischen beiden Bergen auf welchen sich solche befinden strömet in einem mittelmäßigen Thale die unansehnliche Nister welch jedoch bei anhaltender nassen Witterung in einen wilden Strom ausartet. Aus der Gegend von Stockhausen fließt ebenfalls unten an dem Fuß des Bergs auf welchem Marienberg liegt in einem weit engeren Thale ein Bach [schwarze Nister] welcher bei Langenbach in die Nister fällt. Auch dieser Bach wird ebenso wie die Nister oft so stark und reißend daß er zuweilen den Fuß des Berges angegriffen Stück von jenem unterirrdischen Holze ausgewühlt und mit sich fortgeführt hat. Eben dieser Umstand gab Gelegenheit zur Entdeckung dieses verborgenen Schatzes.

Bei diesem unterirdisch Holze sind die Lagen die Schichten mit welchen es bedeckt ist und das Holz selbst besonders merkwürdig. Nach der Versicherung aller Bergleute insonderheit des verdienten Herrn Bergmeisters Jung sind die Flötze die von Mitternacht gegen Mittag zu 5 Graden einschieben und ihr Dach und Sohle haben an den meisten Orten etliche Lachter1) mächtig. Die Stämme liegen größtentheils nach einerlei Direktion Man kann daran das Holz und die Schale an beiden aber die zu unsern Zeiten theils noch bekanten theils unbekanten Holzarten bemerken. Ich habe Stücke gesehen auf welchen die Aeste wie in dürrem Tannenholze entweder ausgebrochen waren oder sich noch befanden. Auf den Gruben will man sogar hartes Holz dessen Stamm wohl 3 bis 4 Fuß im Durchmesser und das Ansehen von welschem Nußholze hatte beobachtet haben. Einiges vor der erlittenen Revolution bereits verfaultes und locker gewordenes Holz in welch die Poren sich mit Schwefel und Harztheilchen angefüllt hatten fand man ebenso wohl als ganze Stämme und daran kleine zum Schreiben taugliche Kohlenstücke als sichtbare Merkmale von einem ehemaligen Brande. Es sollen sich hie und da in den Flözzen Klüfte befinden die so geräumig sind daß in dieselben ein Mann kriechen dagegen auch wieder einige so enge zusammen laufen daß man kaum einen Arm hinein schieben kann. Die Zwischenräume welche die Rundung der Bäume verursachte enthalten zum Theil eine aschgraue mit kleinen den Heerdkohlen ähnlichen Kohlstücken vermengte Lettenerde2) oder sogenannten Schroom zum Theil auch eine würkliche Art von Bergkohlen.

Allein man bemerkte nicht die mindeste Spur von irgend einem in der Folge versteinerten thierischen Geschöpfe dergleichen sonst im Mannsfeldischen und an andern Orten gefunden werden wie solches Herr de Luc von einem bei Göttingen entdeckten versteinerten Rhinocerosgerippe behauptet. Die Tiefe in welcher sich dieser Vorrath befindet ist verschieden nach dem Maaße der abwechselnden Höhe des Gebirgs so daß von der höchsten Mündung der Grube bis in die untenste Tiefe wenigstens 24 Lachter od 168 Fuß gerechnet werden können denn würklich ist auf der Grube zu Hön ein Grundstollen zur Lösung der Wasser und Verbesserung der Wetter von 14 Lachter Tiefe angelegt worden. Man versichert daß die Sohle des Flötzes hier und da noch unter diesen Stollen absetzen werde. Diese Sohle besteht an einigen Orten aus harten Felsen an andern ist solche weich. Ist die Lage des Holzes bewundernswürdig so sind es die Erdschichten welche es bedecken nicht weniger. Zu Tage liegt 2 bis 3 Lachter tief eine Schichte von fruchtbarer Dammerde auf welcher zum Theil bejahrte Eichbäume stehen. Hat sich der Bergmann durch diese einen Weg gebahnt alsdenn trift er auf einen harten Felsen von einigen Lachtern durch welchen er seine Schacht absenken muß. Dieser Fels ist gleichsam der Deckel welcher diesen Schatz verschließet. Darauf folget eine Schichte goldgelber auf diese eine Schichte weißer und endlich eine Schichte grauer mit einigem Köhlengestieb vermischter Lettenerde deren jede so wie das Holz in einem Winkel von 5 Graden von Mitternacht gegen Mittag anstehet und einige wohl mehrere Lachter beträgt. Nach diesem hauet der Bergmann das unterirdische Holz an.

Ein Vorrath welchen die göttliche Vorsehung zum Besten der Bewohner vielleicht Jahrtausende vorsparte. Ein Vorrath welcher nun schon über 40 Jahre mehr als 1000 Haushaltungen den größten Theil ihres Holzbedürfnisses liefert und durch seine Asche den Wiesen und Feldern eine vorzügliche Fruchtbarkeit ertheilt. Ausserdem können die Einwohner und ihre Nachkommen bei der vorhandenen Menge desselben indem täglich neue Gruben entdeckt werden noch auf eine beträchtliche Reihe von Jahren für die von ihren Vorältern geschehene Verwahrlosung des oberirdischen Hölzes dadurch entschädigt werden. Als etwas besonders verdient bemerkt zu werden daß zu Unnau in dem Amte Marienberg 1 1/2 Stunde von Stockhausen, wo ein Versuch nahe an dem Fuße des Berges mittelst eines Schachts gemacht worden ist, kein Felsendeckel darüber liegt sondern daß mit abwechselnden Lagen von Sand und Letten deren erstere etliche Lachter die zweite aber nur ein Lachter mächtig ist, zwo Schichten Holz von 3 1/2 Fuß sich unter der Dammerde befinden.

Dieses Holz wird in 16 bis 18 Lachter Tiefe wenn die Bergleute es mit der Keilhaue auf der Sohle des Flötzes zubereitet haben mit starken eisernen Keulen und schweren Feusteln bis zum Dach desselben abgetrieben von den Karrläufern dem Anschläger und von diesem den Haspelknechten in einem Kübel zur Tagesförderung zugebracht. Zu diesem Geschäfte werden auf einer Grube 20 Arbeiter gebraucht deren jeder täglich beinahe 1/2 Zain3) oder Karre4) dieses Holzes liefert. Jährlich werden also aus einer Grube gegen 3000 Zain zu Tage gefördert und an die Unterthanen zu ihrem Behufe jede Zain für 40 Kr. auf dem Werke verkauft. Es ist daher dieses Holz ob es gleich weder zum Metall schmelzen noch zum Verarbeiten sondern bloß zu Erwärmung der Zimmer gebraucht werden kann, dennoch in Ansehung der Ersparnis von nicht geringem Nutzen. Denn nicht nur die Unterthanen haben auf diese Art ihr Brennholz um den dritten Theil wohlfeiler sondern es erspart auch noch jede Grube in einem Jahre wenigstens für 3000 Pfund oberirdischen Holzes welches in dieser Gegend nicht einmal aufzutreiben wäre ohne zuletzt einen gänzlichen Mangel daran zu leiden. 
Diese Geschichte veranlaßt einige sehr natürlich daraus fließende Fragen. Wie ist dieses Holz in solche Tiefe zusammen gekommen? Welcher Zufall erzeugte die verschiedenen Schichten von gleichfarbiger Lettenerde der darüber liegenden Felsendeckes und endlich die gedachte Dammerde auf einem so hohen Gebürge? Wie viele Jahrtausende hat diese durch Schwefel und Harztheile aufbewahrte Holz hier fein Lager gehabt?

Ueber diese Fragen will ich es wagen meine geringe Vermuthungen auch einigen voraus geschickten Bemerkungen zu eröffnen. Auf dem Rödgen in dem Fürstenthume und Amte Siegen wurde vor 4 Jahren eine alte Kirche niedergerissen deren Mauern aus lauter Muschelsteinen bestanden. Unfehlbar sind diese Steine aus einem bereits ausgehobenen Steinbruche in diesem Bezirke vor Jahrhunderten genommen worden denn noch jetzt werden eben dergleichen auf den Feldern hier und da zerstreut gefunden. Die größte Endfernung dieser Gegend von derjenigen in welcher sich das unterirdische Holz befindet beträgt nicht über 4 Stunden. Daraus folgt daß dieser Winkel des Erdbodens ehemals von dem Weltmeere überflossen war. Dieses beweisen zugleich nach Herr de Luc die Basalten oder sogenannten Beilsteine welche selbst an den Gruben in großer Menge vorhanden sind und auf dem ganzen Westerwald zerstreut angetroffen werden. Dieser große Naturforscher hält dafür sie seyen nichts anders als eine durch Seewasser in welches sie noch flüßig gestürzt wären fünfeckig geformte Lava in dem nicht nur der von allen Seiten gleich starke Druck des Wassers dieselben nothwendig regelmässig hätte machen müssen sondern auch das Salz an sich selbst eine fünfeckige Figur bildete.
Daß aber zu gleicher Zeit auch Vulkane vorhanden gewesen sind solches beweisen nicht nur die eben erwähnten Basalten sondern auch der dort in Menge befindliche Traß welcher nichts anders als ein wahrer Bimsenstein ist. Dieser völlig poröse Stein enthält sichtbare Spuren von einem ehemaligen Brande.

Herr de Luc versichert daß sich darin öfters Holz Blätter und Stücke von Seethieren befänden ja ihm sogar Herr von Hüpsch ein im Traß eingeschlossenes Stück Kohlen vorgezeigt hätte. Er macht darüber folgende Anmerkung. Es hätte die glühende Lava auch selbst unter dem Wasser noch so viel Hitze beibehalten können um Holz zu verkohlen denn ohne das Wasser würde es zu Asche verbrannt seyn. Aus diesem allem schließen wir daß zu gleicher Zeit See und Vulkane an din Orten beisammen waren deren vereinigte Würkung das unterirdische Holz wahrscheinlich vergrub. Wenn nach angeführter Beobachtung diese Gegend eine offenbare See ja ein Theil des Weltmeeres war so werden wahrscheinlicher Weise auch da selbst so wie gegenwärtig in der Südsee manche unbewohnte und waldige Inseln gewesen seyn unter welche z.B. Herr de Luc den berühmten Feldberg und Alrking in der Gegend von Homburg und Kronenburg 4 Stunden weit von Frankfurt und andere ursprüngliche Berge rechnet leicht war es möglich daß einige solcher Inseln durch Vulkane oder Erdbeben welche gemeiniglich in der See heftiger als auf dem festen Lande würden in dem die überflüßig Menge Wassers die Gährung vermehrt untergraben erschüttert und zuletzt gar umgestürzt werden konten. Durch diesen Umsturz kam nach allem Ansehen dieses Holz in die See. Denn aus den angebrannten hingegen nicht ganz verzehrten Stämmen ist ersichtlich daß sie brennend in das Wasser stürzten. Die von Steinen und Erde belästigte Wurzeln der Bäume mußten als der schwerere Theil nothwendig zuerst versinken hingegen die im Anfange zwar noch emporstehend und in dem Wasser sich aufrecht haltende Kronen in der Folge bei dem darüber hin stürzenden Gebürge sich auf ihre Aeste stützen. Dieser Erfolg mag die Ursache des Winkels von 5 Graden gewesen seyn. Bis die Aeste brachen und von der darauf fallenden Masse zusammen gedrückt wurden war bereit so viel Sand unter den Bäumen daß sie sich nicht horizontal legen konten.

Muscheln konten nicht wohl dazwischen kommen weil diese zu sinken pflegen. Vielleicht waren sie auch dazu mal in dieser Gegend noch nicht in so grosser Menge und kamen erst nachher oben drauf. Die dünnen abgebrochenen Aeste stiegen vermutlich in die Höhe und wurden von dem Wasser fortgetrieben Sie dünnesten enthalten aus diesem Grunde nur 2 bis 3 Zoll im Durchmesser. Bei den Gruben zu Unnau stürzte auf die mit Gebürg bereits bedeckte Holzschichte auf gleiche Weise eine andere Holzlage. Vulkane konnten es alsdann mit Asche verschütten. Daher kommt vermuthlich die aschgrau mit Kohlengestieb vermischte Lettenerde oder der sogenannte Schroom.
Nachgehends mag wohl das Meer Jahrhunderte durch gearbeitet haben um die unterschiedenen Schichten von Erde und auch diejenige welche sich nachgehend versteinerte und nun den Felsen Deckel macht zu vereinigen bis es zuletzt diesen Landstrich verließ. Die Pflanzen welche nachher auf der Oberfläche wuchsen und wiederverfaulten bildeten wie es daß Ansehn gewinnt nach und nach die so beträchtliche Schichte von Dammerde. Denn nach der Übereinstimmung aller Naturforscher ist die die einzige Art ihrer Entstehung. Aeußerst langsam ist der Gang der Natur. Welche Reihe an Jahrhunderten wurde wohl nicht zu solcher Revolution erfodert? Von dieser Epoche schweigt die Geschichte denn gewiß ist sie älter als alle Monumente durch welche Völker große Begebenheiten verewigt haben.

 

 

 Anmerkungen:

*) August Ludwig Freiherr von Preuschen von und zu Liebenstein (1766 - 1846), Jurist, Abgeordneter
1) Das (auch der oder die) Lachter (auch: Berglachter) war ein im Bergbau übliches Längenmaß, mit dem meist Teufen, der Stollenvortrieb und die Größe von Grubenfeldern, auch Gedinge bestimmt wurden. In den meisten deutschsprachigen Bergrevieren war es das wichtigste Längenmaß.Ein Lachter entsprach in etwa dem Maß, welches ein Mann mit ausgestreckten Armen umfassen konnte. Damit entsprach das Lachter ungefähr dem Klafter (ca. 1,8 m), war in der Regel aber etwas größer.
2) Der Letten (auch „Lett“ oder „Lätt“) ist ein oft schluffiger bis sandiger Ton mit geringer Beimengung von Kalk. Das Sediment ist von grauer Farbe, andere Färbungen sind jedoch möglich. Das Wort ist eine Bezeichnung für schwach verfestigte Schiefertone aus dem späten Paläozoikum und dem Mesozoikum, für die entsprechenden Lockergesteine aus dem Känozoikum wird seine Verwendung nicht empfohlen. Füllt der Letten einen Kluftraum aus, wird er „Kluftletten“ genannt. Dünne Beläge auf Kluftflächen heißen „Lettenbestege“. „Letten“ stammt aus der Umgangssprache und hat in Süddeutschland die Bedeutung „unbrauchbares Gestein“, zumeist handelt es sich dabei um Tone. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. lehnt die ihm 1849 angebotene Erbkaiserwürde mit der Bemerkung ab, diese sei nur „aus Dreck und Letten“ gebacken.
3) Zain, in Hessen-Nassau früher ein Braunkohlenmaß von 30 Kubikfuß Inhalt.
4) Die Laufkarre, auch Laufkarren, ist eine Besonderheit der Schubkarre die im Bergbau zur Streckenförderung eingesetzt wurde. Der Arbeiter, der die Laufkarre zu schieben hatte, wurde als Karrenläufer bezeichnet.
 
 
Quellen:
 
 

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