Monte Vista, Februar 28th 1896
Lieber Vater und Geschwister!
Euern lieben Brief habe ich erhalten und will Euch diesmal nicht lange warten lassen. Es ist schon ziemlich lange her, daß ich nicht geschrieben habe. Ich hätte auch schon lange geschrieben, aber ich wartete immer auf einen Brief.
Mit meiner Militärgeschichte macht Euch keine Gedanken. Wenn ich ja wieder nach Deutschland komme, werde ich mich melden, doch wird das noch lange dauern. Ich werde diese oder nächste Woche hier aufhören und sonstwo arbeiten. Vielleicht gehe ich wieder nach Kansas.
Ich habe die letzten 2 Jahre so viel Streit mit Louis gehabt, daß ich lieber sonstwo arbeite als hier, und dabei will er mir noch den Lohn nicht geben, den er mir versprochen hat. Es wird wohl dadurch auch noch Streit geben, doch macht Euch keine Gedanken darüber. Ich werde das schon in Ordnung bringen. Auch schreibt davon nichts in einem Brief. Ich würde Euch gerne etwas Geld schicken, doch kann ich's vorläufig nicht, bis ich weiß, wo ich wieder Arbeit bekomme.
Ich gratuliere Emma herzlich zu ihrem Geburtstag und werde ihr auch etwas Schönes mitschicken. Auch meinen anderen Geschwistern werde ich was schicken. Ich hatte wohl an ein Weihnachtsgeschenk gedacht, aber es war mir nicht möglich, etwas zu schicken. Es tut mir sehr leid, daß Onkel Friedrichs Sohn gestorben ist. Es ist wohl sehr hart für ihn. Ich dachte, er wäre letztes Jahr bei die Soldaten gezogen worden.
Von Wilhelm Remy habe ich seinerzeit den Brief erhalten und gleich geantwortet.
Es hat mich nichts mehr gefreut als der Brief von Dora und Emma, und ich danke ihnen vielmals für die Gratulation und die Wurst, doch tut es mir leid, daß ich mir sie nicht holen kann.
Wir haben auch diesen Winter eine Kuh von 600 bis 650 Pfund geschlachtet und 2 Schweine von je 250 Pfund. Wir haben ungefähr 300 Pfund gemacht, welches wir alles essen. Wir hauen ziemlich gut ein bei Tisch. Ich bin jetzt 5 Fuß 8 1/4 Zoll groß und wiege 160 Pfund, amerikanisches Gewicht Das neue Haus ist schon unter Dach und wird diesen Sommer fertig. Wir werden das Bild davon nehmen lassen und Euch eins schicken.
Ich will nun schließen für diesmal. Es ist schon 10 Uhr und Zeit zum Bettgehen.
Viele Grüße an Onkel Karl, Friedrich und Ferdinand sowie Tante und Großmutter, besonders an Euch von
Euerm August
Ich wünschte, Großmutter hätte sich mal fotografieren lassen und mir ein Bild geschickt. Ich würde Ihr vielmals dafür danken. Auch von meinen Onkeln und Freunden möchte gern ein Bild.
Gruß August
Quelle: "Wir hatten ein schlechtes Schiff..." Briefe eines Westerwälder Amerika-Auswanderers 1892-1914