Die Geschichte des Friedrich Steup aus Oberroßbach, niedergeschrieben in der Zeitschrift "Der Wächter", dem Polizeiblatt für Norddeutschland, begründet vom Criminalrath Ackermann in Bützow.

Bereits 1858 wurde in der Zeitschrift "Eberhardt's Allgemeiner Polizei Anzeiger, Dresden" ein Steckbrief von ihm veröffentlicht.

Schwerin, am 17. September 1859

Friedrich Steup wird am 11. September 1818 zu Oberroßbach geboren. Seine Eltern sind Johann Martin Steup, Bauer zu Pfuhl und seine zweite Ehefrau Anna Elisabeth Jung, des Johannes Jung zu Waigandshain eheliche Tochter. Die Eheleute zu Zehnhausen sind schon längst todt; er stand bis zu seiner Großjährigkeit unter der Vormundschaft seines Vetters des Bauers Wilhelm Peter Schreiner zu Oberroßbach. In seinem 15. Lebensjahre verließ er seinen Geburtsort und trat auf Veranlassung eines anderen Vetters, des Hufschmieds Christian Schreiner zu Weg bei Solingen, zuerst bei diesem, dann aber bei dem Scherenfabrikanten Rutscher in Solingen in die Lehre. Später arbeitete er bis zu seinem im April 1838 erfolgten Eintritt in die Herzogl. Nass. Artillerie bei mehreren Meistern in der Gegend von Solingen. Nach 2jähriger Dienstzeit begab er sich sodann mit einem Passe ins Ausland, zunächst nach Elberfeld, lernte dort das Schienenlegen auf der Eisenbahn und war nachher an dem Bau der Elberfeld-Düsseldorfer, dann der Bonn-Cölner und der Cöln-Aachener Bahn beschäftigt. Zu Ende October 1840 in seine Heimath zurückgekehrt, verließ er diese nach kurzem Aufenthalt wieder, trieb sich einige Zeit im Großherzogthum Baden umher und kehrte dann wieder nach Bonn und Cöln zurück, wo er sich von Neuem mit Arbeiten beim Eisenbahnbau beschäftigte.

Sein Bestreben nach höherem Erwerbe, den er in Uebernahme von Bauarbeiten für ganze Strecken zu finden hoffte, schlug dadurch fehl, daß er nicht im Stande war, die verlangte Caution zu leisten. In seiner Hoffnung getäuscht, kam er auf den Gedanken, sich den Titel eines Bahn-Baumeisters beizulegen, sich fälschlicher Weise mit einer Quittung der Bonn-Cölner Bahn über die Einzahlung der verlangten Caution zu versehen, diese bei dritten Personen zu zeigen und dadurch den Glauben zu erwecken, ein Theil des Bahnbaues werde ihm übertragen. Durch diese falschen Vorspielungen gelang es ihm denn zu Cöln, Bonn usw. in Gast- und Privathäuscrn einen ziemlich belangreichen Credit, ja sogar baare Vorschüsse sich zu verschaffen, zu deren Deckung er Wechsel ausstellte, die später nicht eingelöst wurden. Dieses Leben, auf angenehme und bequeme Weise auf Kosten Anderer zu schwelgen, sezte Steup bis zum April 1842 erfolgreich fort. Als aber um jene Zeit sein Talent weitere Erfindungen nicht mehr zu schaffen vermochte, er als gemeiner Betrüger erkannt, und sein fernerer Aufenthalt in der Gegend von Bonn und Cöln nicht mehr möglich war, ergriff er in der Art die Flucht, daß er in geborgten Kleidern und auf einem gemieteten Pferde davon und in die Nassauischen Lande eilte. In Limburg ließ er das Pferd zurück und wendete sich über Frankfurt, wo er einen armen Auslaufer noch um 35 fl. betrog, nach dem Großherzogthum Baden, worin er er ein neues Feld für seine Schwindeleien fand. Er hielt sich nach und nach in Mannheim, Heidelberg, Dretten, Carlsruhe u. a. Orten auf, logierte, indem er sich für einen Kaufmann von Cöln ausgab, in Gasthöfen, zechte darin unter dem Vorgeben, daß er die Ankunft seiner Effecten abwarten wolle, machte schließlich einen kleinen Ausflug pr. Wagen, kehrte aber nicht mehr zurück und blieb Transport- und Zehrungskosten schuldig.

Endlich am 21. April 1842 wurde er in Carlsruhe verhaftet und später an das Militairgericht der Artillerie zu Wiesbaden abgeliefert, welches gegen ihn eine umfangreiche Untersuchung wegen der ihn, zur Last fallenden Betrügereien einleitete, die bereits bis zum Kriegsrecht vorbereitet war, als der Beschuldigte aus dein Gefängniß ausbrach und entwich.

Eine lange Reihe von Jahren über blieb nun jede Nachricht über Steup aus. Am 10. December 1857 wurde zu Wismar im Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin ein unbekannter Mensch, der sich für einen Robert Owen aus Mowith in der Grafschaft Nord-Wales ausgab, angehalten, wobei er sich durch einen von der Königl. Großbritannischen Gesandtschaft zu Hannover erschlichenen Paß zu legitimiren suchte, jedoch wegen Verdachts der Hochstapelei usw. in Haft behalten wurde. Längere Zeit spielte er die Rolle des Robert Owen fort, bis er in das Großherzogl. Mecklenburgische Landarbeitshaus zu Güstrow abgeliefert, mit der dort bestehenden Einrichtung bekannt gemacht und ihm eröffnet wurde, daß er bis zur Ermittelung seiner wahren Verhältnisse unter strenger Zucht und bei schwerer Arbeit in Haft bleiben werde. Jetzt legte er seine Maske ab und gestand, der ehemalige nassauische Kanonier Friedrich Steup von Oberroßbach zu sein, worauf später seine Ablieferung an das Herzogl. Criminalgerlcht zu Dillenburg erfolgte, von welcher Behörde die durch seine Flucht aus dem Gefängniß zu Wiesbaden unterbrochene, von dem Militairgericht eingeleitete Untersuchung fortgesetzt wurde.

Ueber sein Treiben nach der Flucht vernommen, gab er im wesentlichen folgendes an:

Er habe seine Flucht in Gemeinschaft mit dem Bombardier (Unteroffiziersdienstgrad in der Artillerie der ehemaligen preußischen Armee) Johann Mayer aus Wiesbaden bewerkstelligt und seinen Weg mit diesem bis in die Gegend von Verviers genommen. Mayer sei dann zu Lüttich in die Fremdenlegion eingetreten, er selbst habe sich zu Ostende nach England eingeschifft. Nachdem er in England 3/4 Jahre in einer Zuckerfabrik eine Unterkunft gefunden und hierbei sich der englischen Sprache mächtig gemacht, sei er in dem Atelier eines gewissen Earl Hotson Cockwill zu Manchester, einer Locomotivenfabrik, anfangs als Dreher, später als Zusammensetzer thätig gewesen. Später habe er in dem Eisen- und Maschinenwerk des John Taylor in Nord-Wales drei Jahre als Maschinenmeister Beschäftigung gefunden. Zu damaliger Zeit habe er die Bekanntschaft einer englischen Dame, der Wittwe des Maschinisten William Wilson gemacht, mit welcher er zwei Kinder erzeugt hätte. In Begleitung derselben habe er sich dann nach Amerika begeben und etwa 3 Jahre in der Eisenfabrik von Morrisson bei New York gearbeitet. In Auftrag des Morrisson habe er im Jahre 1851 auf der Kunstausstellung zu London eine Locomotive ausgestellt. Krankheitshalber habe er im Jahre 1852 Amerika verlassen und sich zum Gebrauch des Seebades nach Ostende, später nach Aachen und Bonn und zuletzt nach Wiesbaden begeben.

Überall habe ihn die Witwe Wilson, die er für seine Frau aus gegeben, begleitet, mit der er namentlich unter dem Namen Robert Owen aus Nord-Wales in dem Holländischen Hof sich aufgehalten. Sie hätten theils von ersparten Geldern, theils von dem Vermögen der Wilson gelebt. Von Wiesbaden hätten sie sich nach Karlsbad und Töplitz und später nach Crimmitschau, Chemnitz, Dresden und Leipzig gewendet. In Leipzig wäre die Wilson zurückgeblieben, während er sich selbst zu Berlin nach Arbeit umgesehen hätte. Da ihre Geldmittel und eine von dem englischen Consul zu Leipzig empfangene Unterstützung erschöpft gewesen, habe er an verschiedenen Orten, namentlich zu Chemnitz die Wirthszechen nicht bezahlt, weshalb er später an letzterem Orte zur Untersuchung gezogen und mit zehn Tagen Gefängniß belegt worden wäre. Mit der Wilson später wieder zusammengetroffen, habe er sich mit dieser nach Cöln und nach Erlangung eines Geschenkes Seitens einer Bekannten der Wilson, nach Arnheim, Utrecht und anderen niederländischen Orten gewendet, worauf sie im April 1851 nach Schottland und später nach dem Heimathsort der Großmutter der Wilson'schen Kinder in Nord-Wales begeben, bei welcher sich diese Kinder seither aufgehalten hätten.

Er habe nun für einige Zeit in der Gasometerfabrik von Goldem in Schottland Beschäftigung gefunden, worauf er im Frühjahr 1855 in Begleitung eines gewissen Dickson zur Aufstellung einer in Schottland erbauten Maschine eine Reise nach Schweden unternommen hätte. Sein Aufenthalt in Schweden habe etwa fünf Monate gedauert. Nach Ablauf dieser Zeit wäre er mit dem Ingenieur De Mines King, Besitzer eines Werkes in Finnland, aus Schweden abgereist. King habe beabsichtigt, Bergwerke zu sehen, zu welchem Ende er denselben gegen die entsprechende Belohnung nach Deutschland, Spanien, die Schweiz und Italien begleitet hätte. Diese Reise habe bis in den Winter 1855 gewährt. Anfangs 1856 habe er drei Monate krank zu Nizza gelegen, worauf er einen Monat das Bad zu Cannes und später Hyères bei Toulon besucht habe. Nach wiederbefestigter Gesundheit habe er zu Marseille und Paris Beschäftigung gesucht, solche in letzterer Stadt auf einige Monate gefunden, worauf er Hoffnung auf eine Unterkunft bei der Clopdgesellschaft in Triest, gefunden hätte. Auf der Reise dahin sei er über Straßburg und Freiburg im Breisgau gekommen. Weil er seinen englischen Paß nicht habe visiren lassen, sei er in Freiburg drei Tage im Arrest behalten worden. In Dresden mit einem gewissen Gengten zusammengetroffen, habe er auf dessen Wunsch es übernommen, zwei Burschen von 13 und 16 Jahren, Verwandte der Wittwe Wilson, nach Triest zu bringen, zu welchem Zwecke diese Personen in seinem bei dem englischen Consulate zu Dresden erwirkten Passe als seine Sohne aufgeführt worden seien. In Gratz habe er jedoch die beiden jungen Leute einem anderen Engländer anvertraut und sich selbst nach Marienzell und Judenburg begeben, stets in der Hoffnung dort Arbeit zu finden. Weil er seine Zeche in Judenburg nicht bezahlt, sei er nach Guttenstein verfolgt und an das Gericht zu Wolfsburg abgeliefert worden, woselbst er eine 14-tägige Gefängnißstrafe erhalten. Von Geistlichen zu Wien und Gratz mit einem Geschenk von etwa 80 fl. unterstützt, sei er jetzt erst nach Triest gereist, ohne jedoch dort Arbeit zu finden. Unter diesen Umständen habe er eine Reise nach Venedig und von da nach Oberitalien, nach Sardinien, Toskana und Frankreich unternommen. Da er aber überall keine Beschäftigung gefunden, hätte er sich nach Genf begeben, woselbst eine englische Gesellschaft ihm ein Geschenk von 500 Fres. gemacht hätte, als er derselben seinen Entschluß, Beschäftigung in Rußland zu suchen, Kund gegeben habe. In Travemünde angekommen, habe er erfahren, daß des eingetretenen Winters wegen kein Dampfschiff mehr nach Petersburg abgehe, wodurch er zu dem Entschlüsse gekommen wäre, sich nach Schweden zn begeben. Auf der Reise dahin wäre er in Wismar unwohl geworden und wegen gänzlich erschöpfter Geldmittel von der Polizei zur Hast gebracht worden.

Weitere Strafen als die in vorstehenden Erzählung angeführten, will Steup nicht erhalten haben.

Nach geschlossener Untersuchung wurde Steup durch Erkenntniß des Criminalsenats des Herzogl. Nass. Hof- und Appellalionsgerichts zu Dillenburg vom 14. Juli 1858 wegen Schriftfalschungen, Betrügereien, Herumstreichens und Bettelns zu einer Correctionshausstrafe von 5 Jahren verurtheilt, welches Erkenntniß indeß durch Urtheil des Herzogl, Nass. Ober-Appellationsgerichts zu Wiesbaden vom 24. September 1858 bezüglich der meisten der zur Aburtheilung vorliegenden Betrügereien, wegen Mangels der bei Betrug in Vertragsverhältiiissen nothwendigen Klage, aufgehoben wurde, so daß Steup nur in sechs Fällen wegen Betrugs und Landstreicherei und Bettelei schuldig befunden, und die von dem Criminalsenat erkannte Strafe auf eine Correctionshausstrafe von einem Jahr herabgesetzt wurde. Steup wird hiernach am 9. October d. J. in Freiheit gesetzt werden. Er mag zwar in Folge seines vielbewegten Lebens stumpf geworden sein — er lebte früher sehr flott, trank stark, so daß ihn der Säuferwahnsinn heimsuchte — immerhin wird er aber als ein höchst gemeingefährliches, der Schwindelei in hohem Grade ergebenes Individuum die vollste Aufmerksamkeit der Polizeibehörden verdienen. Aus einer diese Persönlichkeit betreffenden gefälligen Mittheilung der Herzogl. Correctionshaus-Direction zu Eberbach wird noch Folgendes Hervorgehoben:

In der Strafanstalt zeigte es sich sehr bald, daß er nur geringe technische Kenntnisse hat; Monteur kann er jedenfalls nicht gewesen sein. Den Balg am Schmiedefeuer ziehen, ist hier seine einzige Beschäftigung. Ein Versuch, die Rolle eines Wahnsinnigen zu spielen, wurde hier von vornherein abgewiesen und dann nicht wiederholt; er leidet jedoch manchmal an gemüthlichen Aufregungen und Depressionen; seine religiösen Ansichten sind phantastisch, er verbindet sie gern mit technischen Ideen, so hat er z. B. geraume Zeit von einer Maschine mit drei Schornsteinen geschwatzt, die seine Erfindung sei und Lob der Weisheit heiße. Er ist häufig mit seinen Mitgefangenen und dem Aufseherpersonal in Conflict gekommen, durch consequente Strenge jedoch fügsam geworden. Steup spricht französisch und englisch, kann aber keine dieser Sprachen, auch deutsch nur mangelhaft schreiben.
Es ist kaum zu begreifen, wie es möglich gewesen ist, daß ein Mann wie Steup, von so mangelhafter Erziehung, ohne hervorragende gewerbliche Kenntnisse, ohne empfehlendes Aeußere, durch Trunksucht geistig und körperlich ganz herabgekommen, auf allen seinen Wegen so viele Leichtgläubige finden konnte, Steup ist ohne alle Subsistenzmittel, zur Arbeit greift er ohne dem äußersten Zwang nicht, er wird deshalb den polizeilichen Bann sehr bald brechen und als Bettler, Landstreicher oder Betrüger den Gerichten wieder verfallen.

 

 

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