1865 Der Westerwald, wo kräftge Weiber bauen...
Da sieht man seine Besten,
Das ist der Wald im Westen/
Nur zum Wissen...
Kurz nach 1871 erbauten die drei Brüder Schürg im Nistertal an der Arfelder Brücke unterhalb der Stadt Hachenburg ein Sägewerk, das mit Wasserkraft betrieben wurde. Bei dieser "Schneidmühle" richteten die Brüder um 1885 ein Ausflugslokal ein. Als man am 20. Juni 1887 den 25. Jahrestag der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches feierte, war ein Ausflug an die Schneidemühle Teil des Festtagsprogramms. Damals war Wilhelm Schürg Mitbesitzer und Wirt des Lokals. 1907 brannte das Sägewerk ab, wurde aber neu aufgebaut. Das weithin bekannte und als Ausflugslokal beliebte Hotel-Restaurant Schneidmühle musste 1971 dem Bau der Nistertalstraße weichen. Der Name Schneidmühle ist danach auf die neu errichteten Gebäude der Straßenmeisterei Hachenburg übergegangen.
In ihrer Ausgabe vom 3. Juli 1914 berichtet die Westerwälder Zeitung über eine kuriosen Vorschlag:
Wolfgang Husserl dient zusammen mit Erich Christian Paul Steup während des 1. Weltkriegs im Reserve Infanterie-Regiment 234. Aufgrund einer zeitgleich erhaltenen Verwundung im Februar 1915 liegt er zusammen mit Erich Steup im Reserve-Feldlazarett 87 in Oostnieuwkerke, einer Provinz in West-Flandern. Sein Bruder Gerhart Husserl besucht ihn im Lazrett und schreibt von dort verschiedene Briefe an ihre Eltern. In zwei der Briefen wird auch Erich Steup erwähnt.
Der erste Brief ist datiert vom 22. Februar 1915:
Liebe Eltern!
Oostnieuwkerke, 22.2.15
Eben komme ich aus dem Reserve-Feldlazarett 87, wo ich Wolfgang im Bette schlafend vorfand. … Das einzig Beschwerliche ist ihm das ewige auf dem Rücken liegen.
Hachenburg verdankt seine Gründung im Wesentlichen der Tatsache, dass der Ort an einer überregionalen Straße lag, im Westerwald die "Köln-Leipziger" genannt, die aus dem Kölner Becken nach Thüringen und Sachsen führte und damit eine der bedeutenden West-Ost-Achsen des Reichsgebietes bildete1).
Die Köln-Leipziger ist eine sogenannte Altstraße, ein historischer Weg, der in einem Wegenetz wichtige Städte und Orte miteinander verbindet. Altstraßen waren mit Ausnahme von Römerstraßen unbefestigte Naturwege, deren Verlauf sich nach der Geologie und der Topographie des Gebietes richtete, durch das der Weg führte. Die Täler waren im frühen Mittelalter Europas oft noch mit dichtem Auenwald bewachsen und mäandernde Flüsse und Flussmündungsgebiete stellten für viele Reisende unüberwindbare Hindernisse dar. Daher wurden Höhenwege (lateinisch auch "strata alta" – Hohe Straße, vielleicht daraus „Altstraße“) entlang von Wasserscheiden bevorzugt. Deren Ursprung lässt sich oft bis in germanische beziehungsweise keltische Zeiten zurückverfolgen2).
Unsere raschlebige Zeit mit ihrem weitverzweigten Wirtschaftsleben ist der Erhaltung alter Sitten und Bräuche nichts weniger als günstig. Wo sie in oft kümmerlichen und stark veränderten Formen bis heute lebendig blieben, überwiegt die dem Volkstum günstige Landwirtschaft. Faßt die Industrie in einer Landschaft festen Fuß, dann gleicht sie aus und vernichtet- sehr zum Schaden von Volkstum und Volkskunde - die in jahrhundertelanger Übung bewahrten Sitten. Wie reizend und ausdrucksvoll sind noch heute die Hochzeitsbräuche in Gebieten starken bodenständigen Bauerntums. Dort treffen wir selbst in der Gegenwart noch Bilder, in denen sich die Kraft Drescher Holzschnitte mit der Lieblichkeit des Richterschen Brautzuges vereinigt. Wo sich dagegen der Erdgeruch umgebrochener Ackerschollen mit dem Rauch naher Fabrikessen mengt, schwindet alle Poesie. Kommt dazu noch ein starker Einschlag erwerbstätiger Männer, die Broterwerb dauernd oder vorübergehend in Industriezentren führt, dann gehen oft in wenigen Jahren die Volkssitten unter, die, mütterlichem Boden entsprossen, auf ihm allein gedeihen.
Am 7. Juli 1629 setzte sich der Driedorfer Pastor Melchior Thorejus an seinen Küchentisch und begann einen mitleidheischenden Brief an seinen Nassauischen Landesherren Graf Ludwig Henrich zu schreiben, der nur wenige Meilen entfernt auf seinem Stadtschloß in Dillenburg residierte. Wortreich beklagte sich der Pastor darüber, daß der Metzger des Grafen ein paar Tage zuvor seine beiden Ziegen willkürlich abgegriffen und der gräflichen Küche zugeführt hatte.[1] Ohne daß er sich dessen vermutlich bewußt war, wird der Geistliche damit zum Auslöser einer Kaskade von Hexereiprozessen, die im Bereich der Nassauer Grafschaften in diesen Jahren freilich nicht gerade zu den Seltenheiten gehörten.[2]
Ein Satz ist es, der den Stein ins Rollen bringt und ohne diesen Satz wäre dieser Brief vielleicht nicht mehr gewesen als ein Dokument feudaler Willkür oder ein eindrückliches Zeugnis für die beklagenswerten Lebensumstände eines kalvinistischen Landpastors, der - wie er schreibt - winters wie sommers nur von Brunnenwasser und einer dünnen Suppe lebt, der nicht das kleinste Fäßlein Bier sein Eigen nennt und der für sich und die Seinen in den letzten sechs Jahren nicht ein einziges Pfund Fleisch habe erkaufen können, was jeder Metzger in der Region bestätigen könne. Schlimmer noch, die Leute - so schreibt er weiter - machten sich gar lustig über ihn, wenn sie ihm rieten, es mit den beiden entführten Ziegen doch so zu halten, als hette sie Joachims Jost erbissen.
Dieser keine Halbsatz ist es, der - wenn auch langsam - in das allgemeine Betriebsgeräusch des nassauischen Beamtenapparates einsickert und bei aller Zähigkeit der Verwaltungsmaschinerie, kaum ein paar Monate später eine ganze Reihe von Todesopfern produziert.