Monte Vista Dezember 17th 1905
Lieber Vater und Schwestern!
Euern lieben Brief habe ich letzte Woche erhalten und will ich Euch diesmal nicht so lange warten lassen wie das letzte Mal. Es freut mich, daß Ihr noch alle gesund seid und wünsche ich Euch ein fröhliches Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr.
Ich gratuliere Emilie zu Ihrer bevorstehenden Heirat und hoffe, daß sie einen guten Mann bekommt. Ich würde wohl gerne auf die Hochzeit kommen, doch werde ich zu seekrank, wenn ich auf das Wasser gehe. Ich war diesen Sommer in California und mußte 2 Stunden auf einem Schiff fahren, und ich wurde so krank, daß ich beinahe nicht aufstehen konnte. Ich habe keine Angst vor dem Wasser, aber wenn man so krank wird, dann ist es kein Vergnügen, und zudem habe ich auch das Geld jetzt nicht.
Ich bin bis jetzt Gott sei Dank noch nicht verheiratet und weiß auch noch nicht, ob ich jemals heiraten werde. Das verheiratete Leben hat auch seine Last.
Ich denke, der Verdienst ist dort beinahe so gut wie hier, d. h. im Verhältnis zu den Kosten. Ich arbeite jetzt in der Stadt für 2 Dollar den Tag, doch kostet es mich mehr wie einen Dollar zum Leben.
Von Karl hab ich schon seit etlichen Jahren nichts mehr gehört und von Robert schon seit 8 oder 9 Jahren nichts mehr.
Louis hat jetzt 3 Kinder, Johanna 3, Auguste 2 und Dora 2. Der Reichtum tut denen auch nicht wehe.
Das Wetter ist dieses Jahr hier sehr schön bis jetzt, und wir haben bloß ein paar Zoll Schnee gehabt.
Louis hat seine alte Farm verkauft und hat jetzt Land geerntet. Die Ernte dieses Jahr war gut.
Ich will nun schließen für dieses Mal und hoffe, daß Euch dieser Brief so gesund antrifft, wie er mich verläßt.
Euer August
Quelle: "Wir hatten ein schlechtes Schiff..." Briefe eines Westerwälder Amerika-Auswanderers 1892-1914