Monte Vista Dezember 11th 1906


Lieber Vater und Schwestern!

Ich will Euch heute abend ein paar Zeilen schreiben. Es ist bald Weihnachten und da ich seit dem 19. Oktober gute Arbeit hatte, will Ich Euch ein kleines Weihnachtsgeschenk schicken. Ich schicke Euch 25 Dollar, ein wenig über 100 Mark. 5 Mark für jede von meinen Schwestern und den Rest für Vater.

Ich arbeite jetzt wieder auf einer Grube als Schmied und Engineer mit einer Gasengine. Werden aber bald aufhören und weiß noch nicht, wann sie wieder anfangen, vielleicht nach Neujahr. Ich wünschte, daß ich am Arbeiten bleiben könnte, wenigstens für ein Jahr für das selbe Geld, wofür ich jetzt arbeite, dann könnte ich Euch doch einmal besuchen. Ich bekomme hier 4 Dollar den Tag. Vielleicht ist das Glück mir doch einmal günstig und hilft mir ein wenig. Ihr könnt Euch kaum denken, wie gerne ich Weihnachten bei Euch sein würde. Ich sagte noch heute abend zu
den Leuten, wo ich bin: Ich wünschte, daß ich Weihnachten abends bei Euch sein könnte. Aber es ist nichl gut möglich und somit schicke ich Euch ein kleines Geschenk und wünsche Euch fröhliche Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr.

Es werden jetzt bald 15 Jahre, seit ich Euch verließ, gewiß eine lange Zeit und dennoch scheint es nicht lange her zu sein. Ich denke öfters, daß, wenn ich in Deutschland geblieben wäre, hätte ich viel mehr Vergnügen haben können und wäre jetzt wahrscheinlich selbständig und könnte auch am Ende gerade so viel Geld machen wie hier.

In der Karte, die ich von Euch erhielt als Dora bei Euch war, schrieb sie, daß Emilie verheiratet ist. Hoffentlich hat sie einen guten Mann bekommen. Ungefähr 3 Monate zurück erhielt ich einen Brief nebst Bilder von Schwager und kleinen Nichte in Marienberg. Er meinte, er täte mich gern persönlich kennenlernen. Ich kann nicht begreifen, warum er mit dem schwarzen Schaf in der Familie bekannt werden will. Ihr könnt meiner kleinen Nichte auch ein kleines Weihnachtsgeschenk für mich kaufen. Wenn ich Glück habe dann werde ich Euch alle doch noch einmal sehen, wenn ich auch wieder seekrank werde, und wenn ich kein Glück habe, dann muß es halt anders gehen. Somit macht Euch keine Gedanken wegen mir, denn ich bin immer gesund, und das ist ja das Beste, was man haben kann.

Louis wohnt jetzt in Denver, eine Stadt von 150000 Einwohner und hat einen Teil in einer Schlosserei gekauft.

Johanna und Theodora wohnen auch in Denver. Es ist ungefähr 300 Meilen von hier.

Auguste ist noch in Monte Vista. Ihr Mann säuft ungeheuer lange und sie hat auch ihre Last.

Wie geht es Karl und Robert? Ich habe ungeheuer lange nichts mehr von ihnen gehört. Wenn ich jemals nach Deutschland komme, dann werde ich sie nicht aufsuchen, denn wenn die Herren denken, daß ich nicht gut genug bin mir alsmal zu schreiben, dann können sie bleiben wo sie sind.

Das Wetter hier ist jetzt schön und es ist nicht sehr kalt diesen Winter. Wir haben zwischen 12 und 18 Zoll Schnee.

Ich will nun schließen mit vielen Grüßen an Euch alle und hoffe, daß ihr alle eine schöne Zeit habt Weihnachten und Neujahr.


Euer Sohn und Bruder
August

 


PS: Ich muß mein eigenes Waschen hier in den Bergen tun und das gefällt mir auch nicht sehr gut, aber ich kann es nicht ändern, denn es wohnen hier keine Leute, die waschen für Lohn. Die nächste Familie von hier ist deutsch und heißt Nettelbeck, 3,5 Meilen von hier. Ich gehe oft samstags dort hin.

 

Quelle: "Wir hatten ein schlechtes Schiff..." Briefe eines Westerwälder Amerika-Auswanderers 1892-1914

 

 

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