Denver Colo. Oct. 4 1907

 

Lieber Vater!

Euern lieben Brief ein paar Tage zurück erhalten und will Euch heute abend antworten.

Ich war letzte Woche für ein paar Tage in Denver bei Louis, Dora und Johanna. Louis war gerade in Monte Vista bei Auguste gewesen. Auguste ihr Mann ist am 31. August gestorben. Louis, ich und Dora gingen nach Monte Vista zum Begräbnis. Ich blieb bei ihr etwas über einen Monat und probierte alles für sie in Ordnung zu bringen, konnte aber nicht fertig werden, so ist Louis den 23. letzten Monats hin und blieb etwas über eine Woche. Es war auch hart für sie, aber es ist doch so das Beste für sie und die Kinder, denn er war ganz schrecklich am Saufen.

Ich bin bis jetzt noch gesund und hoffe, daß, wenn Ihr diesen Brief erhaltet, es bei Euch auch besser geht. Ich werde, sobald ich wieder nach Denver komme, Euch 25 Dollar schicken, oder, wenn ich nicht bald hingehe, jemand anders es schicken lassen.

Es tut mir leid, daß ich nicht zu Euerm Geburtstag kommen kann. Aber es geht nicht gut. Nächstes Jahr gehen die Turner von Amerika nach Deutschland und Dora sagte mir, sie täte vielleicht wieder gehen, dann komme ich vielleicht mit denen, es kostet bloß 80 oder 85 Dollar hin und zurück.

Ihr wollt wissen, was zu tun, ob Ihr zu einer von meinen Schwestern gehen sollt oder nicht. Ich denke, Ihr verkauft besser alles und nehmt das Geld und macht Euch das Leben ein wenig leichter, denn es bezahlt sich ja doch nicht in dem Dorfe herumzuhängen und Euch die letzten paar Jahre noch zu plagen. Soviel es an mir liegt, ich will Euch soviel aushelfen, wie möglich und Euch gerne jedes Jahr 25 bis 50 Dollar schicken und es sieht mir aus, daß, soviel Geld wie Robert und Karl machen, sie Euch auch etwas helfen können. Die Kerle denken wohl, daß ich das Geld hier auf der Straße finden täte. Wenn ich soviel hätte, und dabei das Geld so leicht machen täte wie die zwei und wäre das alles meinem Vater schuldig, dann sollte mich auch gleich schon ein Gewitter zerschlagen, wenn ich meinem Vater nicht ein wenig aushelfen könnte. Wenn Ihr Geld braucht, bevor ich es schicken kann, könnt Ihr ja etwas borgen, bis meines ankommt. Sagt dann, von wem Ihr es borgt, daß ich Geld schikke, sobald ich nach Denver komme. Vielleicht dauert das einen Monat, vielleicht auch nicht.

Ich weiß sonst weiter nichts zu schreiben. Habe nie etwas von Remy gehört.

Ich will nun schließen mit vielen Grüßen an Euch und Schwestern


Euer August.


Habe schon eine ganze Zeitlang nichts von Bertha und Emilie gehört, und von Karl und Robert schon seit etlichen Jahren nicht.
August.

 

Quelle: "Wir hatten ein schlechtes Schiff..." Briefe eines Westerwälder Amerika-Auswanderers 1892-1914

 

 

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