Platoro Colorado Februar 28th 1901
Lieber Vater und Schwestern!
Euern lieben und lang ersehnten Brief habe ich endlich erhalten und es hat mich sehr gefreut noch einmal etwas von Euch zu hören, und daß es Euch noch gut geht, welches bei mir auch noch der Fall ist. Zuerst danke ich Euch vielmals für Eure Glückwünsche zu meinem Geburtstage.
Ich will Euch nun alle Fragen beantworten. Ihr möchtet gerne Genaueres über mein Unternehmen wissen. Ich habe seit Oktober meine alte Stelle aufgegeben und mit vier anderen eine Gold und Silbergrube gerentet (gepachtet) auf eineinhalb Jahre. Das heißt, wir haben die Grube übernommen und arbeiten darin und alles Erz, was wir darin finden, nehmen wir heraus und geben den Eigentümern 10 Prozent davon, das ist 10 Dollar von jeden 100 Dollar Wert Erz, und im Falle wir viel Erz finden, so werden wir viel Geld dabei verdienen. Ich hatte 2 Jahre zurück auf dieser Grube gearbeitet. Wir haben damals einen Tunnel getrieben 1400 Fuß tief In den Berg und arbeiten jetzt darin. Der Mann, wo ich für arbeitete, als Maschinist, ist einer von meinen Partnern. Ein Teil von der Grube gehört ihm. Im Falle wir nichts dabei machen, können wir immer wieder Arbeit von dem Mann bekommen für 3-4 Dollar den Tag. Doch wenn wir Glück haben und viel Erz finden, so werden wir viel mehr Geld dabei machen. Wir können nichts dabei verlieren. Wir haben Gold- und Silbererz, welches für 3000 Dollar die Tonne wert ist, das ist über 6 Mark das Pfund. Wir haben 3 Stücke Erz probieren lassen, welche Nr.1 - 3140 Dollar, Nr. 2 - 2801 Dollar und Nr.3 - 1333 Dollar die Tonne wert ist. Sollte ich Glück hier haben, so werde ich
nach Deutschland kommen. Ich bin nicht im Briefwechsel mit Ginsberg, doch habe ich meinen Plan noch nicht aufgegeben, will aber nicht heimkommen ohne Geld. Ich habe meine Bürgerpapiere, und wenn ich Glück hier habe und genug Geld hier mache, so werde Ich Euch die Papiere schicken, so daß wir alles in Ordnung bringen, bevor ich komme.
Karl schreibt mir öfters, doch Robert schreibt mir gar nicht. Ich hätte Euch allen gern etwas zu Weihnachten geschickt, doch ging es nicht gut diesmal und ich werde späterhin alles dafür wieder aufmachen. Solltet Ihr aber unbedingt Geld gebrauchen, so laßt es mich wissen und ich werde davon sehen, daß Ihr es bekommt. Karl schrieb mir, daß er Euch ein Weihnachtsgeschenk schickte. Ich trinke gar nicht und rauche auch nicht.
Wie Ihr mir schreibt, hat sich ja alles ziemlich verändert bei Euch und es sieht aus, als ob alle meine Schulkameraden sich verheirateten. Der Gustav Weyand in Kansas hat sich auch verheiratet. Ich habe das Heiraten noch für eine zeitlang aufgegeben und weiß übrigens nicht, ob ich jemals heiraten werde, obschon ich genug junge und hübsche Mächen kriegen könnte. Wilhelm Remy ist wohl ein feiner Kerl geworden, wenn er solche Sachen tun kann. Soweit bin ich noch nicht gekommen und werde auch niemals unseren Familiennamen mit solchen Sachen beschmieren.
Ihr werdet wohl bei dieser Zeit das Jagdbild erhalten haben und könnt Ihr mich darauf sehen? Der Schnee ist jetzt zwischen 3 und 4 Fuß tief. Er war über 4 Fuß tief. Solltet Ihr mehr von hier wissen sollen, so müßt Ihr Immer fragen. Ich will nun noch ein paar Zeilen an meine Schwestern schreiben, da sie sich vielleicht mehr freuen, wenn ich ein paar Zeilen für sie extra schreibe.
Somit Gruß Euch nicht vergessen ich werde dann Euer Euch liebender
August.
Beiliegender Brief an die Schwestern Dora und Emma:
Liebe Schwester Dora und Emma!
Eure lieben Zeilen habe ich erhalten und mich sehr gefreut, ein paar Zeilen von Euch zu erhalten. Somit weiß ich doch, daß Ihr mich noch nicht vergessen habt. Ich danke Euch vielmals für die schöne Gratulationskarte, und da ich Euch immer etwas Schönes versprochen habe, so muß ich Euch doch bald etwas schicken, oder Ihr denkt, daß ich Euch vergessen habe. Ich kann jedem von Euch ein kleines seidenes Taschentuch in einem Brief schicken mit den Anfangsbuchstaben von Euren Namen drauf. Es kostet vielleicht 50-60 Cent das Stück, und wenn Ihr sie haben wollt, so laßt es mich wissen im nächsten Brief, oder im Falle Ihr lieber das Geld wollt und Euch dort etwas dafür kaufen wollt, so will ich es schicken, sobald ich wieder nach Monte Vista komme. Wenn ich Glück habe, so werde ich Euch besuchen, da ich mehr Geld haben will, wie bloß zum Hin- und Zurückreisen. Wenn ich jetzt dort wäre, so würde ich ein paar Schneeschuhe machen und Euch zeigen, wie man darauf herumgeht und läuft.
Ich und meine Kameraden waren heute fischen, haben aber bloß einen gefangen. Ich wünschte, daß Ihr hier sein könntet im Juli oder August. dann kann man viele Fische fangen.
Ich will nun schließen mit Gruß und Kuß bald wieder was von Euch zu hören.
Euer Euch liebender Bruder
August
Viele Grüße an alle Verwandten und Bekannten. Ich hatte mir nicht lange zurück einen Finger gequetscht, ist aber beinahe wieder heil, bloß ist das erste Gelenk noch ziemlich steif. Es ist der Ringfinger.
Quelle: "Wir hatten ein schlechtes Schiff..." Briefe eines Westerwälder Amerika-Auswanderers 1892-1914